Offener Brief von Dr. Georg Gafus an Bürgermeister Günther Knoblauch:
Keine verkaufsoffene Adventsonntage
Erschienen am: 16.02.2011
Gesetz über Ladenschluss – Sonntagsschutz wenigstens für den 1. Adventssonntag am 27.11.2011

13. Februar 2011

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegendes Stadtrates,

das dritte Jahr in Folge legen uns Bürgermeister und Verwaltung eine Verordnung zur Entscheidung vor, die neben dem 03.04. (12. Mühldorfer Automobilmarkt), dem 17.07. (Tag der Vereine) und dem 23.10. (Simon-Judi-Markt) mit dem 27.11. („Mühldorfer Adventsklänge“) eine Freigabe des 1. Adventssonntages für den Verkauf an allen Verkaufsstellen im aktuellen Kalenderjahr vorsieht.

In den Vorjahren haben sich lediglich mein Kollege Oskar Rau und ich uns ausdrücklich für konsequenten Sonntagsschutz in Mühldorf ausgesprochen.

Nachdem uns die Gewerkschaft Ver.di e.V. und die Kirchen bisher mehrfach und ausführlich ihre klare Haltung für den Sonntagsschutz mitgeteilt haben, wird deren Verzicht auf eine Stellungnahme in diesem Jahr von der Sitzungsvorlage als Einverständnis zur Verkaufsfreigabe gewertet.

Diese Einschätzung ignoriert die klaren Stellungnahmen von Gewerkschaft und Kirchen in den Vorjahren, die sich seither nicht geändert haben. Als gesellschaftliche Kräfte engagieren sie sich seit vielen Jahren gemeinsam für den arbeitsfreien Sonntag.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 1.12.2009 zu den verkaufsoffenen Adventsonntagen in Berlin betont, dass ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse (Shopping) potenzieller Käufer keinen hinreichenden Sachgrund für eine Aufhebung des Sonntagsschutzes darstellt.

Die erstmalige Durchführung der „Mühldorfer Adventsklänge“ im Jahr 2009 erfolgte wenige Tage vor dem BVG-Urteil. Dass die Aktionsgemeinschaft Mühldorf e.V. trotz des BVG-Urteils nun erneut eine Verkaufsfreigabe auch für den 1. Adventssonntag beantragt, halte ich für einen Affront gegen den Geist des BVG-Urteils, den der Stadtrat auf keinen Fall unterstützen sollte. Zu offensichtlich ist hier der Versuch, mit einem musikalischen Feigenblatt den Sonntagsschutz zu umgehen und gerade auch den ersten Adventssonntag einer kommerziellen Nutzung zuzuführen. Im Monat November ist dies möglich, weil das Gesetz über den Ladenschluss (LSchlG § 14 Abs. 3) bei den möglichen Ausnahmeregelungen für bis zu vier Sonntage im Jahr nur die Sonntage des Monats Dezember ausdrücklich ausschließt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die grundlegende Bedeutung der kollektiven ganztägigen Ruhe betont. Die in der Vergangenheit auch im Mühldorfer Stadtrat mehrfach vorgebrachte Argumentation, der Schutz beziehe sich schwerpunktmäßig oder ausschließlich auf die jeweiligen Gottesdienstzeiten, ist damit widerlegt.

Mittlerweile gibt es sogar auf europäischer Ebene Bestrebungen für einen wirksameren Sonntagschutz. So in einem Aufruf für den arbeitsfreien Sonntag anlässlich der ersten Europäischen Konferenz zum Schutz des arbeitsfreien Sonntags im Europäischen Parlament in Brüssel am 24. März 2010:

„Der Schutz des arbeitsfreien Sonntags ist von überragender Bedeutung für die Gesundheit der Arbeitnehmer, die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben sowie für das Leben der Zivilgesellschaft insgesamt. Dieser gemeinsame wöchentliche Ruhetag stärkt den sozialen Zusammenhalt in unseren Gesellschaften. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass der arbeitsfreie Sonntag für die Gesundheit und für das Wohlbefinden der Arbeitnehmer wichtiger ist als jeder andere arbeitsfreie Wochentag. Sonntagsarbeit übt enormen Druck auf Arbeitnehmer und deren Familien aus. Sie begünstigt Burnout und führt zu Krankheit und Arbeitsabwesenheit. Sonntags können Eltern und Kinder Zeit miteinander verbringen. Schulen sind an diesem Tag geschlossen. Gemäß der Jugendarbeitsschutzrichtlinie der EU ist der Sonntag bereits heute der EU-weit anerkannte wöchentliche Ruhetag für Kinder und Heranwachsende. Der Sonntag stärkt den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaften, da er es den Bürgern ermöglicht, am sozialen und assoziativen Leben teilzunehmen, sich kulturell und spirituell zu entfalten und ehrenamtlich zu engagieren.“

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere mit diesem offenen Brief erneut an Sie, Ihre Haltung zur Freigabe von verkaufsoffenen Sonntagen grundsätzlich zu überdenken und insbesondere die vor zwei Jahren eingeschlagene Fehlentwicklung mit der Freigabe des 1. Advents zum Verkauf zu korrigieren. Die „Mühldorfer Adventsklänge“ können Gäste und Bürger auch an einem Samstag im Advent erfreuen. Sechs verkaufsoffene Wochentage müssen gerade im Advent ausreichen.

Mit freundlichen Grüßen Dr. Georg Gafus, GRÜNE