Kinder sind unsere Zukunft! Damit diese Zukunft gelingt, initiierten die Landkreise Altötting und Mühldorf in enger Kooperation das Projekt „SAFE“ – Sichere Ausbildung Für Eltern. SAFE fördert eine tragfähige und verlässliche Bindung angehender Mütter und Väter mit ihrem Baby. Wie entscheidend dies für eine gesunde Entwicklung des Kindes ist, belegte Professor Karl-Heinz Brisch bei einem Fachgespräch in Mühldorf anhand vieler Beispiele und Studien.
Marianne und Hermann Schieder haben sich so sehr auf ihr erstes Kind gefreut. Alles schien bestens vorbereitet: Die Geburt verlief völlig problemlos und auch die ersten Wochen zu Hause waren ein großartiges Erlebnis: Das Stillen klappte ausgezeichnet, ihr Baby schlief viel und ruhig, die jungen Eltern konnten ihr Glück kaum fassen. Doch plötzlich war es damit vorbei. Immer häufiger quengelte ihr Baby, immer seltener ließ es sich beruhigen. Trotz größter Aufmerksamkeit und Fürsorge – es schrie. Oft stundenlang. Die jungen Eltern sind verunsichert. Was machen wir falsch? Warum lässt sich unser Kind nicht beruhigen? Die Fragen quälen und zerren zusätzlich an den Nerven.
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Auf dem Foto sind zu sehen von links nach rechts:
Margarethe Winnichner, Diakonie Traunstein
Helmut A. Höfl, Projektleiter SAFE
Prof. Karl Heinz Brisch, LMU München
Ulrich Lichtenegger, Leiter Amt für Jugend und Familie AÖ, Elfriede Geisberger, Leiterin Amt für Jugend und Familie MÜ
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Ganz anders verläuft der Start bei Familie Reiner. „Wir haben uns mit unserem Baby von Anfang an sehr sicher gefühlt“, sagt der stolze Vater, und Ehefrau Birgit ergänzt: „Sollten wir tatsächlich einmal nicht mehr weiter wissen, rufen wir bei unserer Mentorin an.“
Auch das ist eine Besonderheit des SAFE-Projekts: Alle Teilnehmer erhalten - falls es wirklich einmal „brennt“ und sie selbst nicht mehr weiter wissen - individuelle Hilfe durch ihre Mentorin. Diese kennen sie bereits aus den Kursen vor der Geburt ihres Kindes, denn SAFE startet schon während der Schwangerschaft. An vier Sonntagen erhalten angehende Mütter und Väter unzählige Informationen und Anregungen zu ihrer künftigen Rolle als Eltern: Fantasien und Ängste von Eltern werden aufgegriffen, Rollenerwartungen geklärt, vorgeburtliche Bindung gefördert, Eltern-Säuglings-Interaktion eingeübt und vieles mehr. Zudem werden spätere Alltagssituationen ausprobiert und das eigene Verhalten anhand von Videoaufnahmen und Gesprächen reflektiert.
Kompetenz der Eltern stärken
An weiteren sechs Sonntagen nach der Geburt stehen die aktuellen Erfahrungen, Erlebnisse und Schwierigkeiten im Vordergrund. Gezielt stärken und erweitern die Mentorinnen die Kompetenzen der Eltern und üben mit ihnen Entspannungstechniken und Impulskontrolle. Die erworbene Souveränität im Umgang mit dem Neugeborenen wirkt sich erkennbar auf dessen Verhalten aus. Es fühlt sich wohl und fasst Vertrauen.
Mentorinnen sind als sozialpädagogische oder psychologische Fachkräfte in unterschiedlichen Bereichen tätig, für die fachliche Führung und Begleitung der SAFE-Gruppen erhalten sie eine spezielle Schulung.
„Mit SAFE lernen Eltern, wie sie ihrem Kind eine sichere Bindung schenken können. Deshalb setzt das Programm bei den Erwachsenen und ihren Erfahrungen an, und führt die jungen Paare hin zu einem intuitiven Umgang mit den Kindern“, erklärt Professor Karl-Heinz Brisch. Zudem habe man festgestellt, dass die Masse an Ratgebern werdende Mütter und Väter eher verunsichert und das natürliche Gefühl im späteren Umgang mit dem Nachwuchs völlig in den Hintergrund treten lässt. Der Münchner Bindungsforscher ist Leiter der Pädiatrischen Psychosomatik und Psychotherapie an der Kinderklinik der Ludwig-Maximilians-Universität. Dort wurde das SAFE-Projekt entwickelt.
Gesunde Entwicklung durch gelingende frühkindliche Bindung
Gelingt eine frühkindliche Bindung, gehen Kinder gestärkt ins Leben. Sie sind belastbarer, holen sich bei Bedarf schneller Hilfe, verfügen über ein breiteres Repertoire, kritische Situationen zu bewältigen, zeigen ein gemeinschaftlicheres Verhalten, lernen schneller und haben eine bessere Gedächtnisleistung und Sprachentwicklung. Zudem fördert eine sichere frühkindliche Bindung die Entwicklung von Kreativität, Flexibilität, Ausdauer und Empathiefähigkeit. Misslingt die frühkindliche Bindung, hat dies unterschiedliche Störungsbilder zur Folge. Sie reichen vom Verlust emotionaler Sicherheit und Vertrauen bis hin zu aggressivem Verhalten in Konflikten und Störungen in der Entwicklung des Gehirns. Bereits seit dem Jahr 2006 werden Ergebnisse wie diese in einer projektbegleitenden Längsschnittstudie erhoben.
„Gemeinsam sind wir stark!“
Um werdende Eltern in der Region noch besser zu unterstützen, wurde das Projekt SAFE vor drei Jahren durch Landrat Erwin Schneider und die Ehe-, Familien- und Lebensberatung und Erziehungsberatung im Landkreis Altötting ins Leben gerufen. Ähnliches entwickelte sich in Mühldorf, seit September kooperieren die Nachbarlandkreise.
„Gemeinsam sind wir stark“, betonen Elfriede Geisberger, Leiterin des Jugendamtes Mühldorf und Ulrich Lichtenegger, ihr Altöttinger Kollege sowie SAFE-Projektleiter Helmut A. Höfl den Mehrwert, der durch die Kooperation entsteht: „Nun können wir landkreisübergreifend mehr Gruppen bilden, insofern schafft die Zusammenarbeit Synergien.“ Dies gilt auch für die Suche nach zusätzlichen Mentoren für weitere Kurse. Nähere Auskünfte und weiteres Informationsmaterial zu SAFE erhalten Sie unter Telefon _0861/9898-0 (Frau Winnichner)
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