Medienminister Schneider bei der Eröffnung der Medientage München:
„Internet als Leitmedium der Zukunft erfordert neue Wege in der Regulierung“
Erschienen am: 28.10.2009

Bayerns MBayerns Medienminister Siegfried Schneider hat heute bei der Eröffnung der Medientage München wegen der Entwicklung des Internets zum Leitmedium der Zukunft eine sektorübergreifende Neuordnung der medienrechtlichen Regulierungen gefordert.edienminister Siegfried Schneider hat heute bei der Eröffnung der Medientage München wegen der Entwicklung des Internets zum Leitmedium der Zukunft eine sektorübergreifende Neuordnung der medienrechtlichen Regulierungen gefordert.

Schneider betonte: „Noch ist das Fernsehen das Leitmedium, aber es wird vom Internet abgelöst werden. Das Internet wird zum neuen Marktplatz der Meinungsbildung. Es hat schon heute das Informationsverhalten der Menschen massiv verändert. Rund zwei Drittel der Deutschen über 14 Jahre nutzen regelmäßig das Internet, für 96 Prozent der 14- bis 29jährigen ist es bereits das Primärmedium. Deswegen brauchen wir neue Wege in der Regulierung."

Nach den Worten Schneiders hat es wenig Sinn, gegen die Dynamik der Veränderungen alte Strukturen zu konservieren. Schneider: „Die Länder hatten in den letzten Jahren zu wenig Mut, neue Wege in der Regulierung zu beschreiten. Durch das Festhalten an manch Vertrautem sind die materiellen Regelungen nicht selten verwirrend und die Aufsicht zersplittert. Wer ein neues Geschäftsmodell plant, stößt auf Abgrenzungs- und Zuständigkeitskonflikte. Mittelfristig brauchen wir deshalb eine Neuordnung, die sich von der Fixierung auf den Rundfunk und dessen Regulierungsdichte löst." Dabei müssen nach der Auffassung Schneiders auf dem neuen Markt auch die traditionellen Medien wie Radio und Fernsehen einen neuen Platz erhalten. Schneider: „Wir können und werden den neuen Markt nicht der Anarchie überlassen. Und wenn geistiges Eigentum betroffen ist, heißt Diebstahl heutzutage eben Download. Das muss konsequent geahndet werden." Mit Blick auf vielfach vorgebrachte Warnungen vor überzogener Überwachung erklärte der Minister: „Keiner fordert Zensur im Netz, aber durchaus die Einsicht, dass die Freiheit der einen nicht auf Kosten anderer gehen darf. Deshalb bekenne ich mich unter anderem zu mehr Jugendschutz im Internet und dazu, dass wir hierfür ein geeignetes Instrumentarium brauchen."

In der aktuellen Diskussion um das Medienkonzentrationsrecht sprach sich Schneider dafür aus, das gegenwärtige Medienkonzentrationsrecht zu einem übergreifenden Instrument der Vielfaltsicherung fortzuentwickeln. Schneider: „Unsere Endgeräte verschmelzen zusehends zur Multimedia-Plattform, ob als Computer mit Fernseh-Diensten oder als Fernseher mit Internetanschluss. Das Medienkonzentrationsrecht soll in erster Linie Meinungsvielfalt ermöglichen, aber derzeit kontrolliert es zu einseitig nur den bundesweiten Fernsehmarkt. Auch hier muss der Trend zum Leitmedium Internet mit berücksichtigt werden." Ziel der Staatsregierung ist es laut Schneider, Klarheit und Rechtssicherheit im Meinungsmarkt zu schaffen, aber auch Wachstum zu ermöglichen und gegebenenfalls unter Auflagen international wettbewerbsfähige Unternehmen zuzulassen.

Mit Blick auf die Reform des Gebührenrechts verwies Schneider darauf, dass im Augenblick die einmalige Gelegenheit bestehe, mit einem großen Reformwurf die Finanzierungsmodalitäten im dualen System neu zu gestalten. Schneider: „Die Akzeptanz der heutigen Gebühr schwindet, wie im Übrigen auch die ökonomische Grundlage privater Finanzierungskonzepte. Wir müssen die Kraft für eine zukunftsfähige Gesamtlösung haben." Neben der verfassungskonformen Ausgestaltung einer Haushalts- und Betriebstättenabgabe sei zu diskutieren, ob Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch nötig sind, ob ein indexgestütztes Gebührenverfahren unter Kontrolle der KEF nicht die Schaukämpfe zur Gebührenerhöhung alle vier Jahre ablösen soll und ob auch neue Geschäftsmodelle privater Veranstalter befördert werden sollen.

Kommentar:
Medienminister Siegfried Schneider hat mit dieser Ansprache einen großen Teil der Forderungen in die Politik der Bayerischen Staatsregierung übernommen, die wir den Verantwortlichen schon im Oktober 2008 vorgelegt haben, und die vom diptv, dem Deutschen-Internet-Fernseh-Verband unterstützt wird. Wir möchten diesen Forderungskatalog hier auflisten, von dem wir denken, daß seine Umsetzung für den Fortbestand des Fernsehens mit Blick auf die neuen Möglichkeiten unumgänglich ist:

  1. Da es weder der bisher erklärten Linie der CSU noch den Parteilinien der FDP entspricht, Monopole aufrecht zu erhalten ersuche ich Sie, die Aufhebung dieses Monopols zum Thema zu machen und darauf hinzuwirken, Wettbewerb auch im Fernsehmarkt zuzulassen. Die gegenwärtige Regelung widerspricht der allseits erklärten Absicht, die Meinungsvielfalt in den Medien zu fördern.

  2. Da die oben genannte Finanzierung ausschließlich den Monopolanbietern zukommt, ist von Chancengleichheit keine Rede. Wenn der Staat finanziert, muß er für Gleichheit sorgen und darf nicht willkürlich eine Seite bevorzugen und eine andere benachteiligen. Aus diesem Grund muß entweder die Finanzierung der Monopolanbieter abgeschafft werden oder auch neue Anbieter müssen in den Genuß der Finanzierung kommen.

  3. Die durch die Digitalisierung möglich gewordene Vielzahl von Programmen im digitalen Fernsehkabel ist auch neuen Anbietern zugänglich zu machen. Derzeit bestimmt einzig die BLM darüber, wer sein Programm dort zeigen darf. Anbieter von Porno-, Astrologie-, und sonstigen Inhalten können dort rein, Programme mit inhaltlich lokaler Beschränkung sind jedoch nur wegen ihrer lokalen Bedeutung ausgeschlossen. Man hat mir geraten, bundesweit relevant zu werden, dann dürften wir rein....

  4. Für die Zukunft ist eine Aufhebung der Trennung von Telekommunikation und Rundfunk anzustreben. Diese Trennung bewirkt heute rechtlich die doppelte Verfügbarkeit aller Dienste. Schon heute bieten Telekom-Unternehmen Fernsehen an, und Rundfunkanstalten verbreiten ihre Programme in Telekom-Systemen. In Österreich beispielsweise gibt es das Fernsehgerät mit Internetanschluß längst. Bei uns ist dies rechtlich nicht möglich.

  5. Die erst kürzlich von der BLM eingeführte Unterscheidung von IPTV und Web-TV muß aufgehoben werden, da sie eine neue Form von Monopolen festschreibt. Die BLM definiert IPTV als geschlossene Angebote, die über eine besondere „Set-Top-Box“ ihre Programme an zahlende Empfänger per Internet vertreibt, während Web-TV frei verfügbare Angebote sind. Diese Regelung fördert neuerlich Konzerne, die genug Marktmacht besitzen um eigene Standards zu etablieren und schließt kleinere Anbieter aus. So wäre zum Beispiel kein einziger der derzeitigen Lokalfernsehanbieter in der Lage, solche Angebote zu etablieren. Ich zweifle sogar daran, daß es dem Bayerischen Rundfunk gelänge.

  6. Auf lange Sicht muß die Definition „Rundfunk“ abgeschafft oder geändert werden. „Rundfunk“ ist gemäß dieser Definition ein mediales Angebot, dessen Inhalt und Ablauf vom Anbieter bestimmt wird und bei dem der Konsument keine Wahlmöglichkeit hat und gezwungen ist, anzuschauen, was ihm vorgesetzt wird. Diese Definition stammt aus den 50er Jahren und ist schon seit Einführung der Privatfernsehprogramme Anfang der 80er Jahre überholt. (Wenn jemand nicht anschauen will, was ihm vorgesetzt wird, zappt er einfach weg). Die Verlagerung von Fernsehen ins Internet und die dortige Wahlfreiheit Inhalt und Zeit selbst zu wählen sowie die Verfügbarkeit von sogenannten Time-Shift-Geräten hat zudem die Definition „Rundfunk“ längst außer Kraft gesetzt. Trotzdem läuft Fernsehen noch heute nach dieser Definition.