Das Schließen einer Rechtlücke stieß das Leipziger Reichsgericht 1899 an, als es einen Fall des Stromdiebstahles erstmals abschließend zu beurteilen hatte. Mit der Elektrifizierung vieler Haushalte hatte auch das Phänomen des Stromklaues in die juristische Welt Einzug gefunden und bedurfte einer höchstgerichtlichen Klärung.
Man traf deshalb die feinsinnige Unterscheidung, dass dem Strom die diebstahlsrelevante Körperlichkeit fehle und er nicht als „Fluidum“, sonder als ein Zustand zu betrachten sei, „der längs des Leitungsdrahtes vermittelt werde und vermutlich in Schwingungen kleinster Teile der Körper (Moleküle) bestehe.“
Mittels Leitungsdraht wieder in Schwung kommen wollte auch ein dreißigjähriger Mann aus Haag, dem Ende Juli sein vierrädriges Elektromobil - mangels Akku-Ladung - den Dienst aufgekündigt hatte. In Emmerting des abends liegengeblieben, verkabelte er kurzentschlossen seinen Stromflitzer mit einer öffentlich zugänglichen Steckdose und sog dort widerrechtlich die notwendigen Ladung aus dem Netz, um wieder nach Hause zu gelangen.
Mit geschätzten fünf Euro Schaden wurde er nun zur Anzeige gebracht. Dabei wird auf seinen Fall der Sondertatbestand des „Entziehens elektrischer Energie“ (§ 248c des Strafgesetzbuches) zur Anwendung gebracht, mit dem der Gesetzgeber im Jahre 1900 das o.g. flüchtige „Fluidum“ tatbestandsmäßig in den Grif bekommen hat.
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