ROSENHEIM. Bei den Polizeidienststellen im Bereich des Präsidiums Oberbayern Süd mehren sich die Anzeichen, wonach die Konsumenten harter Drogen ihre Suchtmittel über ärztliche Verschreibungen erlangen, ohne hierzu an einem Drogensubstitutionsprogramm teilzunehmen. Die Szene scheint Strategien entwickelt zu haben, sich opiathaltige Präparate verschreiben zu lassen, die weit über dem therapeutisch erforderlichen Maß liegen. Dies führt dazu, dass sich Süchtige nicht nur ihren Rausch von der Krankenkasse bezahlen lassen, sondern sich durch die erschlichenen Überbestände zudem noch eine lukrative Einnahmequelle eröffnen, indem sie damit dealen.
Ärztehopping: Ermöglicht wird dies in erster Linie durch das sogenannte „Ärztehopping“. Der süchtige Patient versucht zunächst seinen Hausarzt dazu zu bewegen, ihm beispielsweise morphinhaltige Schmerzpflaster zu verschreiben. Diese werden dann nicht bestimmungsgemäß zur Entfaltung einer Langzeitwirkung auf die Haut aufgeklebt, sondern der Wirkstoff extrahiert und intravenös konsumiert. Ist der Hausarzt nicht mehr bereit, größere Dosen zu verordnen, sucht man den nächsten Arzt auf. Dies am besten zu einem Zeitpunkt, an dem der eigene Hausarzt keine Sprechstunde hat und damit für den aufgesuchten Arzt nicht für eine Rückfrage zu erreichen ist.
Fälle im Bereich Rosenheim: Allein bei der Rosenheimer Kripo liegen Erkenntnisse vor, dass einzelne Drogenkonsumenten es schafften, sich in einem Monat auf Kosten der Solidargemeinschaft mehr als das 15-fache dessen verschreiben zu lassen, was zur Schmerztherapie ausreichend gewesen wäre. Was nicht für den Eigenkonsum benötigt wird, lässt sich in der Szene verkaufen und damit auch noch ein Profit erwirtschaften. Eine weitere Quelle für das Erschleichen von Betäubungsmitteln ist die Fälschung vorher entwendeter ärztlicher Blankor-Rezepte. Bei mehreren Einbrüchen in Arztpraxen waren gezielt Blanko-Rezepte entwendet worden. Diese werden mittels selbst vorgenommenen Eintragungen verfälscht und, ebenfalls zu Zeiten in denen der bestohlene Arzt keine Sprechstunde hat, bei Apotheken vorgelegt.
Todesfälle durch Fentanyl: Die fatale Bilanz, die allein das Polizeipräsidium Oberbayern Süd bereits in den Jahren 2010 und 2011 zu ziehen hatte, ergab 11 Todesfälle allein durch den Konsum des Wirkstoffs aus besagten Schmerzpflastern. Im Jahr 2012 verschlimmert sich dieses Bild weiter. Allein bis Ende Juli sind 14 Menschen Opfer ihrer Drogensucht geworden. Bei vier Personen war die missbräuchliche Verwendung verschriebener oder erschlichener Schmerzpflaster todesursächlich. Bei fünf weiteren besteht der Verdacht, hier liegen allerdings die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung noch nicht vor. Vielfach kommt es parallel zum Konsum anderer Drogen, Medikamente und/oder Alkohol, wodurch das Risiko für den Süchtigen nahezu unkalkulierbar wird.
Diese Entwicklung ist nicht nur im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd zu verzeichnen. So appellierte jüngst die „Kassenärztliche Vereinigung Bayern - KVB“ in ihrem Mitteilungsblatt „KVB-Infos“ an ihre 22.000 Mitglieder, vorsichtiger mit Betäubungsmittelverordnungen umzugehen.
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