Seehofer und Herrmann zur Asyl- und Flüchtlingspolitik - Bayern geht mit klaren Forderungen an Bund und EU in Asylspitzengespräch am Donnerstag

Seehofer und Herrmann zur Asyl- und Flüchtlingspolitik: „Asyl-Herausforderungen können nur in Verantwortungsgemeinschaft von EU, Bund und Ländern gemeistert werden / Bayern geht mit klaren Forderungen an Bund und EU in Asylspitzengespräch am Donnerstag / Deutlich mehr Finanzanstrengungen des Bundes notwendig / Konsequente Rückführung abgelehnter Asylbewerber und wirksamer Schutz der EU-Außengrenzen haben hohe Priorität“

Bayern wird in das Asyl-Spitzengespräch am Donnerstag in Berlin mit klaren Forderungen an Bund und Länder gehen. Darüber haben Ministerpräsident Horst Seehofer und Innenminister Joachim Herrmann heute informiert. Seehofer und Herrmann: „Die gestiegenen und weiter steigenden Asylbewerberzahlen stellen Länder und Kommunen vor große Herausforderungen. Um die Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung zu erhalten, ist es notwendig, dass die Europäische Union, der Bund und die Länder diese großen Herausforderungen gemeinsam in einer Verantwortungsgemeinschaft angehen und lösen.

Die nun von Bund und Ländern verabredete klare Unterscheidung zwischen Anstrengungen für Schutzbedürftige und Maßnahmen für diejenigen ohne Bleibeperspektive ist ein großer Fortschritt. Dies muss nun konsequent umgesetzt werden!“ Innenminister Joachim Herrmann verwies darauf, dass Bayern konsequent die Rüc! kführung abgelehnter Asylbewerber fortsetzen wird: „Wir haben in diesem Jahr bereits 1.228 Personen abgeschoben, 2.846 sind freiwillig ausgereist. Das Signal ist: Wer hier kein Bleiberecht hat, muss gehen, damit wir uns auf den Schutz von echten Flüchtlingen konzentrieren können.“ Der Ministerpräsident machte deutlich, dass Bayern erwarte, dass der Bund zur Beschleunigung der Asylverfahren und zum Abbau des Berges unerledigter Entscheidungen die zugesagten personellen Verstärkungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge umgehend umsetzt.

Seehofer:“ Wir brauchen aber auch über die bereits zugesagte einmalige finanzielle Unterstützung der Länder eine massive strukturelle Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Unterbringung der Asylbewerber, die den Ländern und den Kommunen entstehen. Ich bleibe dabei: der Bund muss künftig Kosten für die Unterbringung von Asylbewerbern, über deren Asylantrag nicht binnen drei Monaten entschieden worden ist, komplett ü! bernehmen .“

Im Einzelnen geht der Freistaat Bayern mit folgenden Forderungen in das Asyl-Spitzengespräch am kommenden Donnerstag in Berlin:

Bundespolitische Forderungen:
  1. Bayern begrüßt die Absicht der Bundesregierung, das Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wesentlich aufzustocken. 2014 und 2015 wurden 650 neue Stellen geschaffen, im Nachtragshaushalt 2015 sind weitere 750 Stellen sowie Mittel für 250 Aushilfskräfte vorgesehen; weitere 1000 Stellen sollen 2016 geschaffen werden. Notwendig ist, dass diese Stellen umgehend besetzt werden, um die Dauer der Verfahren und die Dauer bis zur Antragstellung nachhaltig zu verkürzen sowie die Altfälle abzubauen. Ständig sich ändernde Prioritäten bei der Bearbeitung von Asylanträgen müssen durch eine verlässliche Personalausstattung überwunden werden.
    Hinweis:
    Bayern wird auch weiterhin konsequent die Rückführung abgelehnter Asylbewerber fortsetzen. So wurden bereits in diesem Jahr (Stand: 7.6.2015) 1.228 Personen abgeschoben, 1.319 sind freiwillig ausgereist mit REAG/GARP-Förderung und 1.527 sind freiwillig ohne Förderung ausgereist.

  2. Bayern fordert die Bundesregierung über das bisherige einmalige finanzielle Engagement hinaus auf, sich strukturell finanziell an den im Rahmen der Unterbringung der Asylbewerber den Ländern und Kommunen entstehenden Kosten zu beteiligen. Der Weg dazu wird mit dem Bund bis Herbst 2015 besprochen. Eine Möglichkeit wäre: Soweit die Verfahrensdauer über die im Koalitionsvertrag vereinbarte Höchstdauer von drei Monaten hinausgeht, erstattet der Bund den Ländern eine Kostenpauschale, wie sie Bayern transparent und nachvollziehbar für das Jahr 2015 in Höhe von 1.300 € pro Monat und Asylbewerber errechnet hat.

  3. Bayern begrüßt, dass das BMFSFJ einen Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher vorgelegt hat:
    • Allerdings darf dabei keine Festschreibung der Rechtsansprüche aus der Jugendhilfe in der derzeitigen Fassung erfolgen. Es müssen hier neue Ansätze für die Unterbringung und Betreuung dieser Jugendlichen gefunden werden.
    • Auch besteht bezüglich des Belastungsausgleichs, der Schaffung von Rechtssicherheit und des Verteilungsverfahrens noch erheblicher Nachbesserungsbedarf am Gesetzentwurf. Insbesondere fordert Bayern, den Belastungsausgleich auf Basis von 730 Tagen (durchschnittliche Verweildauer in der Jugendhilfe) zu berechnen.
    • Bayern fordert die Durchführung der bundesweiten Verteilung bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes. Das Übergangskonzept muss schnellstmöglich erarbeitet und umgesetzt werden.
    • Bayern fordert eine hälftige Beteiligung des Bundes an den Kosten für unbegleitete Minderjährige.
    Hinweis:
    Bayern unterstützt seine Jugendhilfeträger durch eine landesinterne Verteilung, neue Sammelunterkünfte zur Entlastung der Hauptfluchtrouten sowie durch mehr finanzielle Unterstützung (Ergebnisse runder Tisch bei StMin Müller am 12.06.2015).

  4. Bayern fordert die Bundesregierung auf, sich zur Unterbringung der Zuwanderer, die dauerhaft in Deutschland bleiben, an den erforderlichen Wohnraumprogrammen der Länder zu beteiligen. Der Bund hat den Ländern 1992 und 1993 bei ähnlich angespannter Wohnraumversorgungssituation Finanzzuweisungen zur Wohnraumförderung in Höhe von knapp 1,9 Mrd. Euro (nicht DM) zur Verfügung gestellt. Unter Berücksichtigung der seitherigen Kaufkraftverluste (Baukostensteigerungen, Lohnkosteninflation, Treibstoffkostenmehrung etc.) sollten mindestens 2 Mrd. Euro zur Verfügung stehen. Der Finanzierungsweg und die Verteilung sind noch im Detail festzulegen. Bayern fordert zugleich die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für Mietwohnungsneubauten ein. 2014 kamen etwa 30.000 Asylbewerber nach Bayern. Bei einer Gesamtschutzquote von rund 10.000 Personen bedeutet dies, dass allein in Bayern 3.000 bis 5.000 Wohnungen erforderlich sind. In diesem J! ahr wird mit 70.000 Asylbewerbern gerechnet.

  5. Bayern fordert die Bundesregierung auf, die Möglichkeiten der Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG für Personen, die aus sicheren Herkunftsländern stammen oder deren Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, auszuweiten (vgl. BR-Drs. 190/15). Anschließend müssen diese Möglichkeiten konsequent umgesetzt werden.

  6. Die Aussicht auf eine Erwerbstätigkeit zählt zu den wichtigsten Anreizfaktoren für Zuwanderer. Ein weiterer spezieller Aufenthaltstitel für abgelehnte Asylbewerber in Berufsausbildung ist nicht erforderlich, da dies asylfremde Zuströme nach Deutschland noch verstärken würde und die erforderliche Rechtssicherheit für die Ausbildungsbetriebe auch durch Duldungen ermöglicht werden kann. Es sollte vielmehr bundesrechtlich geregelt werden, dass Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten sowie ausreisepflichtigen Asylbewerbern, deren Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, keine Beschäftigungserlaubnisse erteilt werden.

  7. Bayern fordert die Bundesregierung auf, das Vorhaben zu unterstützen, auch Albanien, den Kosovo sowie Montenegro in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufzunehmen.
    Europapolitische Forderungen:

  8. Bayern fordert die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene für die Einsetzung eines EU-Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen auszusprechen, der sämtliche Aspekte des komplexen Themas in einer Institution fachlich und politisch zusammenführt und koordiniert.

  9. Bayern fordert die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene für die Wiedereinführung der Visapflicht für die Staatsangehörigen von Albanien, Serbien, Montenegro, EJR Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina einzusetzen.

  10. Bayern fordert die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene für einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen einzusetzen. Hierzu gehört auch eine bessere Unterstützung der betroffenen Mitgliedstaaten durch die Europäische Union. Ebenso ist eine verstärkte sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Drittstaaten und Außengrenzschutzkooperationen (bilateral und/oder europäisch) notwendig. Die Mitgliedstaaten müssen ihre Grenzüberwachung – auch durch gemeinsame Aktionen mit FRONTEX – verstärken.
    Hinweis: Bayern wird die Schleierfahndung weiter intensivieren. Die bisherigen Erfolge zeigen, dass auf diese Weise die Sicherheit der bayerischen Bevölkerung noch mehr verbessert werden kann.

  11. Bayern stellt fest, dass der Außen- und Entwicklungshilfepolitik der EU eine wesentliche Rolle bei der Bekämpfung der Fluchtursachen zukommt. Notwendig ist vor allem eine konzentriertere wirtschafts- und außenpolitische Zusammenarbeit mit den Hauptherkunftsländern und Haupttransitstaaten. Durch zielgerichtete gemeinsame Aktionen kann die EU dort ihren Beitrag zur Stabilisierung und zur Schaffung von Lebensperspektiven leisten. Bayern bittet daher die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für eine kohärentere und konzentriertere Außen- und Entwicklungspolitik der EU einzusetzen mit dem Ziel einer verstärkten Mittel- und Ressourcenallokation in den Krisen- und Transitstaaten. Zudem bittet Bayern die Bundesregierung sich dafür einzusetzen, auch Mittel aus dem Bereich der Europäischen Nachbarschaftspolitik zur Fluchtursachenbekämpfung zur Verfügung zu stellen.

  12. Bayern erinnert daran, dass das EU-Asylsystem nach Dublin III von allen Mitgliedstaaten konsequent umgesetzt werden muss. Die Praxis einiger Mitgliedstaaten, Flüchtlinge bei der Ersteinreise nicht (ausreichend) zu registrieren, ist inakzeptabel.

  13. Bayern stellt fest, dass die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU nach wie vor zu einer einseitigen Belastung einiger weniger Mitgliedstaaten führt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Vorschläge der EU-Kommission in ihrer Migrationsagenda vom 13. Mai 2015 bittet Bayern daher die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene weiterhin für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Form von festen Verteilungsquoten einzusetzen.

  14. Die EU muss insbesondere den Kampf gegen kriminelle Schlepper und Menschenhändler weiter intensivieren, ggf. auch robust auf der Grundlage eines UN-Mandates.

  15. Bayern bittet die Bundesregierung, die EU bei der verstärkten Seenotrettung im Mittelmeer weiterhin in angemessenem Maße zu unterstützen.

  16. Die Rückführung der Asylsuchenden in neu zu schaffende europäische Asylzentren in Nordafrika, in den ein europäischen Standards entsprechendes Prüfverfahren durchzuführen ist, halten wir für sinnvoll.
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