Landrat Georg Huber an Ministerpräsident Horst Seehofer: "Niemand kann gezwungen werden, mehr zu tragen, als er kann"


An den Bayerischen Ministerpräsidenten
Herrn Horst Seehafer, MdL
Bayerische Staatskanzlei
Franz-Josef-Strauß-Ring 1
80539 München

Mühldorfa.lnn, 21.Januar2016

"Niemand kann gezwungen werden, mehr zu tragen, als er kann"

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer,
lieber Horst.

zunächst möchte ich Dir dafür danken, dass die Bayerische Staatsregierung die Kommunen und Landkreise bei der schwierigen Aufgabe der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern umfassend unterstützt. Insbesondere ist die Bayerische Staatsregierung die Einzige, die aktiv Druck zur Lösung dieser Aufgabe ausübt und die Landkreise. Kommunen und Bürger nicht Im Stich lässt, sondern an einer Lösung der Problematik arbeitet und dies offen und klar gegenüber der Bundesregierung und der Europäischen Union vertritt.


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Der anhaltende Flüchtlingsstrom und die Verteilung in unseren Landkreis Mühldorf a. Inn nimmt drastische und kaum mehr regelbare Formen an. Aktuell haben wir bereits gut 1650 Asylbewerber untergebracht. Anfang des Jahres 2015 waren es gerade einmal 350. Die Erfüllung dieser Aufgabe war einer extremen Kraftanstrengung aller Mitarbeiterinnen des Landratsamtes und den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zu verdanken, ohne die diese Aufgabe nicht einmal ansatzweise zu bewältigen gewesen wäre.

Wir müssen jede Woche knapp 50 Asylbewerber aufnehmen und in unseren Unterkünften versorgen. Trotz intensiver individueller Kontaktaufnahme mit nahezu 300 Maklern, Wohnungsbaugenossenschaften und Grundstückseigentümern im Landkreis, wird uns in Zukunft die Unterbringung In der bisherigen Form nicht mehr gelingen. Eine Belegung landkreiseigener, städtischer und auch gemeindlicher Turnhallen ist unausweichlich.

Wir erhalten von privater Seite keine Wohnungsangebote mehr und können die Menschen nicht mehr ordentlich unterbringen. Aufgrund dessen müssen wir auf Notmaßnahmen zurückgreifen und bauen derzeit zwei Gewerbehallen in Mühldorf a. Inn um, mit dem Ziel, dort 550 Menschen auf geringem Platz notgedrungen unterzubringen. Bis diese Hallen in Betrieb genommen werden können, müssen wir die Menschen in landkreiseigenen Turnhallen unterbringen. Konflikte sind dort vorprogrammiert. Diese Belegung von Turnhallen konnten wir bisher nur unter größter Kraftanstrengung vermeiden. Sollten die derzeitig hohen Zuweisungsquoten an Asylbewerbern anhalten, können wir die diese nicht mehr menschenwürdig unterbringen.

Darüber hinaus erhalten wir von den 31 Gemeinden im Landkreis bei der Unterbringung der Asylbewerber keinerlei Hilfe. Als Behördenleiter bin ich im Rahmen des rechtlich Möglichen bereit, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen. Bis hin zum Ersetzen des gemeindlichen Einvernehmens, damit Unterkunftsplätze geschaffen werden können Diese Vorgehensweise führt bei den betroffenen Kommunalpolitiken und Bürgern zu Unmut und führt zur Spaltung innerhalb der Bevölkerung. Es gibt sogar einige Gemeinden, die aktiv versuchen, die Unterbringung von Asylbewerbern zu verhindern. Daher erwarten wir aber auch, dass wir seitens der Regierung von Oberbayern die volle Unterstützung erhalten und diese die notwendigen Maßnahmen trifft, insbesondere die - baurechtlich bereits genehmigte - Aufstockung der Dependance in Waldkraiburg auf 600 Personen vornimmt und unverzüglich die seit 01.01.2016 fertig gestellte Gemeinschaftsunterkunft in der Friedhofsstraße in Mühldorf mit 70 Plätzen belegt wird und nicht erst wie geplant mit Verzögerung im März.

Um mittelfristig weitere Plätze trotz des erheblichen Widerstandes in der Bevölkerung und bei den Kommunalpolitikern zu schaffen, bedarf es für das Landratsamt zwingend der rechtlichen Möglichkeit der Direktzuweisung in den Verantwortungsbereich der einzelnen Gemeinden.

Die bisher in § 5 111 DV-Asyl verankerte Mitwirkungspflicht der Gemeinden reicht in der Praxis dafür nicht mehr aus.

Das staatliche Landratsamt Mühldorf a. Inn wird sich auch in Zukunft dieser großen Herausforderung stellen und im Rahmen seiner Möglichkeit diese Aufgabe bewältigen Wir sichern der Bayerischen Staatsregierung unsere volle Unterstützung zu.

Das Sicherheitsgefühl unserer Bürgerinnen und Bürger hat sich in den letzten Tagen und Wochen nicht zuletzt durch die Vorfälle und die Berichterstattung über sexuelle Übergriffe in der Silvesternacht massiv verschlechtert

Wir hatten leider auch bei uns im Landkreis bereits im Sommer eine brutale Vergewaltigung einer 19jährigen durch einen senegalesischen Asylbewerber und mehrere sexuelle Nötigungen und Stalking Attacken durch Asylbewerber.

Selbstverständlich versuchen wir, insbesondere durch unsere eigenen Mitarbeiterinnen der Asylsozialberatung, alle uns zugewiesenen Asylbewerber regelmäßig auf unsere Werte, die geltende Rechtsordnung und die gebotenen Verhaltensweisen, insb auch Im Umgang zwischen Mann und Frau, hinzuweisen.

Unsere Asylsozialberaterlnnen haben in Kooperation mit einem Psychologen ein Präventionskonzept entwickelt, mit dem wir in 3 Modulen im Rahmen von Workshops mit den Asylbewerbern gerade diesen Themenkomplex aufarbeiten.

Aber neben der Prävention braucht es dringend auch ein sichtbares, schnelles Zeichen der Sanktion für die Fälle, in denen ich die Asylbewerber nicht an die bei uns geltenden Regeln halten!

Die bereits auf Bundesebene beschlossenen Verschärfungen für Straftäter sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber für die Sicherung des inneren Friedens vor Ort brauchen wir für die Asylbewerber und unsere Bürgerinnen sicht- und spürbare Reaktionen des Staates auf entsprechendes Fehlverhalten.

Ich fordere daher dringend, die Errichtung einer "Sondereinrichtung" des Freistaates für entsprechend auffällige Asylbewerber, die sich durch ihr unangemessenes Verhalten vor Ort selbst ins Abseits gestellt haben und damit eine konkrete Gefahr für den inneren Frieden, die Sicherheit und den Zusammenhalt in unserer Bevölkerung darstellen.

Wenn bekannt ist, dass in einer Unterkunft ein Asylbewerber lebt, der offensichtlich gewalttätig, sexuell übergriffig o.ä. ist, ziehen sich sofort die Ehrenamtlichen zurück, da sie um Ihre eigene Sicherheit und Unversehrtheit fürchten.
Auch die übrigen Asylbewerber in der betroffenen Unterkunft "fordern" dann selbst die "Entfernung" dieses "Störers", da sie sehr wohl erkennen, dass sie durch das Fehlverhalten einzelner Asylbewerber in der Bevölkerung als Gruppe in Misskredit fallen und sich dies sehr nachteilig auf Ihre eigene Integrationschancen auswirkt.

Die bisher "gängige Praxis", dass in solchen Situationen seitens des Landratsamtes entsprechender "Druck" auf die Regierung ausgeübt wird, damit dieses den "Delinquenten" dann einem anderen Landkreis zuweist und damit ein bürokratisch aufwändiger "Verschiebebahnhof" betrieben wird, der in der Sache keinerlei Verbesserung bringt, kann nicht die Lösung sein. Im Gegenteil: Es wird uns allen, die wir politische Verantwortung tragen, als deutliche Schwäche und Hilflosigkeit des Rechtsstaates ausgelegt.

Wir brauchen hier schnellstmöglich eine "Sondereinrichtung" des Freistaats analog denen in Manching und Bamberg damit die betroffenen Asylbewerber bereits vor einer strafrechtlichen Verurteilung und auch schon bei "Fehlverhalten" unterhalb der U-Haft Grenze, z.B. bei wiederholter Gewalt- oder Alkoholexzesse, Drogenkonsum und/oder- handel, etc in diese .Sondereinrichtunq" verbracht werden können. Dort sollte nach unserer Einschätzung eine besondere Residenzpflicht begründet werden, um eine schnellstmögliche Durchführung des Asyl - und ggf. Strafverfahrens
sicherzustellen und eine mögliche Abschiebung parallel vorbereiten zu können.

Selbstverständlich unterstützen wir das Bestreben der Staatsregierung, vollziehbar Ausreisepflichtige unverzüglich zur freiwilligen Ausreise zu bewegen oder erforderlichenfalls umgehend abzuschieben, soweit dies möglich ist.

Trotz der extremen zusätzlichen Arbeitsbelastung unserer Mitarbeiterinnen im Zusammenhang mit der Unterbringung und Bearbeitung der ca. 1650 zugewiesenen Asylbewerber ist es uns im Jahr 2015 gelungen.

In allen 69 maßgeblichen Fällen bei uns im Landkreis Mühldorf a. Inn die aufenthaltsbeendigende Maßnahmen einzuleiten.

Davon sind 42 Personen bereits tatsächlich ausgereist und haben die BRD verlassen.

5 Personen sind untergetaucht und wurden bisher erfolglos zur Fahndung ausgeschrieben.

3 Asylbewerber werden derzeit aktuell zur Ausreise aufgefordert, bei einem davon ist bereits der Schubauftrag gestellt (Abschiebung).

16 Asylbewerber werden vorübergehend geduldet

Davon 3 aufgrund psychischer Krankheit (Selbstrnordgefahr).

Davon 5 aufgrund fehlendes Passes, die Passbeschaffungsverfahren bei der ROB wurden eingeleitet und werden bearbeitet.

Davon können 8 nicht gemäß des Dublin-Verfahrens überstellt werden, da das aufnehmende Land die ÜbersteIlung verweigert.

Gegebenenfalls sollte auch dieser Personenkreis der vollziehbar Ausreisepflichtigen, deren Ausreise bzw. Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist, in .Sondereinrichtunqen" untergebracht werden, um die entsprechenden Verfahren gebündelt und dann ggf. auch beschleunigt durchführen zu können.

Bei der Integration der Asylbewerber rund um die Themen Bildung und Arbeitsmarkt, Versorgung und der allgemeinen Beratung nimmt unser Landkreis eine Führungsrolle ein, die bayernweit einzigartig ist.
Wir sind im Rahmen der Asylsozialberatung Modellkommune und stellen ein Team aus Asylsozialberatern, die maßgeblich zur Integration und zur präventiven Vermeidung von Problemen beitragen.

Bei der Beschulung von jungen Asylbewerbern nimmt der Landkreis Mühldorf a. Inn eine Vorreiterrolle ein.

Auch für die 160 Asylbewerber im Alter von 16-21 Jahren, für die zu Schuljahresbeginn kein Platz in unseren Berufsschulen zur Verfügung stand, ist es uns gelungen, ein bayernweit einmaliges Pilotprojekt in enger Kooperation mit dem Kultusministerium und den sehr engagierten Berufsschulleitern unter Einbindung der Ehrenamtlichen zu initiieren.

Darüber hinaus werden noch 120 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Zusammenarbeit mit dem Berufsbildungswerk Waldkwinkel und den Berufsschulen beschult.

Um diese Integration der bereits im Landkreis untergebrachten Asylbewerber zu forcieren und zu gewährleisten, ist es notwendig dass die Zahl der Neuzugänge wöchentlich drastisch reduziert wird.

Wir werden bereits in wenigen Tagen keinen freien Platz mehr haben, um die zugewiesenen Asylbewerber unterzubringen. Daher bitte ich Dich und die Bayerische Staatsregierung, auf die Regierung von Oberbayern einzuwirken, die oben genannten 220 Plätze (Dependance Waldkraiburg und Gemeinschaftsunterkunft Mühldorf) kurzfristig zu nutzen und uns bis zur Inbetriebnahme der beiden Gewerbehallen im Stadtgebiet Mühldorf von weiteren Zuweisungen freizustellen.

Falls dies nicht möglich ist, müssen wir auf Turnhallen zurückgreifen, wodurch der Unmut der Bevölkerung steigen wird, was letztendlich in einem nicht mehr kalkulierbaren Risiko münden wird.

Bereits jetzt kündigt die AFD eine Veranstaltung gegen die geplante Flüchtlingsunterbringung in Mühldorf an und plant die Gründung eines Ortsverbandes.

Ich bedanke mich für Deinen Einsatz zur Bewältigung der Probleme im Rahmen des Themas Asyl sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene und vertraue auf Deine Unterstützung der Kommunen.

Mit den besten Grüßen aus dem Landkreis Mühldorf.

Dein

Georg Huber
Landrat

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