BUND Naturschutz: Trauer um Heimatverlust, Naturzerstörung, Klimaschädigung und Steuergeldverschwendung

Am 30. September wurde das Teilstück der Autobahn A94 durch das Isental freigegeben. Der BUND Naturschutz hatte sich 35 Jahre lang gemeinsam mit Landwirten und Heimatfreunden in einer Aktionsgemeinschaft für die ökologisch verträglichere Variante an der bestehenden Bundesstraße B12 eingesetzt.

„Eines der naturzerstörendsten und flächenfressendsten Vorhaben, das mit Hunderten Millionen Steuergeldern finanziert worden ist, findet seinen Abschluss. Es ist in Zeiten der Klimakrise und des Artensterbens ein besonders drastisches Beispiel für die verfehlte Verkehrspolitik der Staats- und Bundesregierung“, so Richard Mergner, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern, anlässlich der Eröffnung. „Durch den Bau der Isentalautobahn wurde viel Heimat zerstört“ sagt Christine Margraf, stellv. Landesbeauftragte und Artenschutzreferentin des BUND Naturschutz. „Schützenswerteste Landschaft mit kleinstrukturierter Kultur- und Naturlandschaft Oberbayerns wurde für ein unsinniges Neubauprojekt geopfert.“

„Mit Ausnahme der Grünen haben sich hier alle Parlamentsparteien schuldig gemacht“, so Heiner Müller-Ermann, Sprecher der Aktionsgemeindschaft gegen die Isentalautobahn. „Sie haben mit fundamentalistischer Sturheit eine falsche Trassenentscheidung aus den 70er Jahren durchgezogen, obwohl selbst staatliche Fachgutachten zeigten, dass eine Lösung im Bereich der Bundesstraße B12 ungleich besser wäre.“

Und Rita Rott vom BUND Naturschutz Dorfen sagt: „Wir werden uns am Abend dieser Autobahn A 94 Eröffnung nochmal im Dorfner Jakobmayersaal zusammenfinden. Wenn auch der Anlass alles andere als freudig ist, so wird es doch keine Trauerfeier werden. Denn neben unserer Wut auf die Verantwortlichen für diese Zerstörung, bleibt doch die Erinnerung an den großartigen Zusammenhalt in den vielen Jahren des gemeinsamen Kampfes.“. Aus vielfältigen Gründen wäre der vom BN und der Aktionsgemeinschaft akzeptierte vierspurige Ausbau der bestehenden Bundesstraße B12 die bessere Alternative gewesen:
  1. Durch die Autobahn kam es zu einer Überbauung von Naturgebieten und eine erhebliche Beeinträchtigung des europäischen Fauna-Flora-Habitat-Gebiets „Isen und Nebenflüsse“
  2. Es gab die Notwendigkeit von 56 Querungen davon fünf Großbrücken mit bis zu 600 Meter Länge. Für die Lappachbrücke mussten beispielsweise unzählige 60 Meter tiefe Betonfundamente gegraben werden, um die Stabilität sicher zu stellen.
  3. Intakte Erholungsgebiete, die im Isental zu finden sind, werden weiträumig verlärmt und zerschnitten. Es gab Waldverluste sowie die Beeinträchtigung von Sichträumen und Zerstörung des Landschaftbildes. Ausgerechnet im waldärmsten Landkreis Bayerns, in Erding, wurden Wälder zerschnitten und in der Endmoräne das Landschaftsbild nachhaltig zerstört.
  4. Über 470 Hecktar Land wurden versiegelt.
  5. Der Straßenneubau ist besonders klimaschädlich, da er neben der Bahnlinie erfolgte. Somit werden viele Pendler wieder zum Umsteigen auf das Auto verführt. Der Ausbau der Bahn, der ebenfalls seit den 70er Jahren geplant ist, steht hingegen immer noch in den Sternen. Allein auf dem Neubauabschnitt werden pro Tag bis zu ca. 350 Tonnen Kohlendioxid nach Prognose ausgestoßen.
  6. Der Autobahnbau ist eine extreme Verschwendung von Steuergeldern. Das Bundesverkehrsministerium führt in einem „Bericht zum Bundesverkehrswegeplan 2030“ auf S. 69 Gesamtinvestition von 770, 5 Millionen an. Der vierspurige Ausbau der Bundesstraße B12 hätte deutliche weniger als die Hälfte gekostet.

Fazit:

Der BUND Naturschutz fordert von Ministerpräsident Markus Söder und der Landesregierung aus CSU und Freien Wählern den Stopp für weitere Straßenneu- und -ausbauten in Bayern und die Umverteilung der Mittel für einen attraktiven Bus- und Bahnverkehr. Konkret für die Region heißt das, den vernachlässigten Bahnausbau „München-Mühldorf-Freilassing“ nicht nur voran zu bringen sondern massiv zu beschleunigen.

Anlage: Chronologie A 94 Neubau durchs Isental
  • 1971: Erstmals sieht der Bundesverkehrswegeplan eine vierspurige Verbindung München-Mühldorf als Bundesstraße B12 neu vor.
  • 1977: Die Regierung von Oberbayern leitet das Raumordnungsverfahren (RVO) für eine Isentaltrasse ein
  • 1980: Das ROV zeigt, die Trasse Dorfen ist für den Bau der Autobahn A94 geeignet
  • 1982: Bundesverkehrsminister Hauff (SPD) stoppt die Planungen der Autobahn A 94, da keine Alternativen entlang der Bundesstraße B12 untersucht wurde
  • 1984: Bundesverkehrsminister Dollinger (CSU) nimmt die Planung der Autobahn A94 wieder auf
  • 1988: Die Regierung von Oberbayern leitet das Planfeststellungsverfahren (PFV) für den Bau auf der Trasse Dorfen ein
  • 1991: Der Deutsche Bundestag fordert einen Trassenvergleich. Seither sind in jedem Verfahren sowohl die Trasse Dorfen als auch die Trasse Haag zu berücksichtigen. Beide Trassen entsprechen den Zielen der Raumordnung
  • 1993: Ministerpräsident Stoiber besteht auf die Trasse Dorfen und schließt die Trasse Haag (Erweiterung der Bundesstraße B12) aus
  • PFV für Trasse Dorfen wird eingeleitet, Einwendungs- und Erörterungsverfahren beginnen
  • 2002: Bei Sonderfortschreibung des Landesentwicklungsplans soll die Trasse Dorfen verbindlich festgesetzt werden. Die Aktionsgemeinschaft klagt vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht gegen die vorzeitige Entscheidung und wird später Recht behalten.
  • 2003: Die Regierung von Oberbayern legt den Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt Forstinning-Pastetten vor.
  • 2004: Im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) stehen beide Trassen gelistet. Bayern meldet, die bisher nicht gemeldeten FFH-Gebiete nach Brüssel
  • 2005: Prozess um den Trassenverlauf im Schlüsselabschnitt Forstinning-Pastetten am Verwaltungsgerichtshof in München beginnt. Kläger sind anliegende Gemeinden, Der BUND Naturschutz und Privatpersonen. Das Gericht stellt „erhebliche Beeinträchtigungen“ der Auwälder auf der Trasse Dorfen fest. Die Regierung muss FFH-Verträglichkeitsprüfung nachholen. Die Verhandlung in München wird ausgesetzt. Bevor es zu einem Urteil kommen kann, muss der Europäische Gerichtshof in Luxemburg klären, welchen Status die gemeldeten, aber noch nicht offiziell registrierten FFH-Gebiete auf der Trasse Dorfen haben. Das Gericht weist die Klagen der Gemeinden ab. Als Kläger verbleiben 23 Privatpersonen sowie der BUND Naturschutz.
  • 2006: Die Regierung von Oberbayern schiebt die geforderte FFH-Verträglichkeitsprüfung nach. Gegner der Trasse Dorfen reagieren mit Einwendungen. EuGH bestätigt die FFH-Gebiete als rechtsgültige Schutzgebiete. Die Regierung von Oberbayern hat ein weiteres Mal nachgebessert und legt einen erweiterten Planfeststellungsbeschluss vor. Abschnitt Ampfing-Erharting wird für den Verkehr freigegeben
  • 2007: Im Landkreis Passau beginnt der Bau der Ortsumgehung Malching. Prozess vor dem VGH in München beginnt erneut. Am 30. Oktober verkündet der VGH in München sein Urteil: Die Klagen werden abgewiesen, die Revision wird nicht zugelassen. Die Aktionsgemeinschaft beginnt mit der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig.
  • 2008: Autobahndirketion beginnt im Abschnitt Forstinning – Pastette mit den ersten Arbeiten und trägt Oberboden ab, obwohl das schriftliche Urteil nicht vorliegt. Der Protest weitet sich aus und wird von den Biermösl Blosn und Gerhardt Polt unterstützt. Die Aktionsgemeinschaft reicht Beschwerde beim BVG in Leipzig ein. Das Ziel: die Revision. Gutachten von Vieregg-Rössler liefert einen Kostenvergleich: Trasse Haag ist halb so teuer wie Trasse Dorfen. Das BVG in Leipzig lehnt unsere Beschwerde ab. Es erklärt unter anderem für rechtmäßig, dass man die Bundesstraße B 12 bei einer Lärmbilanz der beiden Trassen nicht berücksichtigen muss. Die Trasse Haag (Bundesstraße B12) darf damit so behandelt werden, als würde sie durch einen lärmmäßig überhaupt nicht vorbelasteten Raum führen.
  • 2009: Rund 5000 Gegnerinnen und Gegner der Isentalautobahn treffen sich erneut am Schwammerl bei Dorfen. Polt und die Biermösl Blosn haben weitere Unterstützer für ein dreistündiges Festival mitgebracht. Pünktlich zwischen Weihnachten und Neujahr erlässt die Reg.v.Obb. den Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt Pastetten – Dorfen. Nach genauer Prüfung und ausführlicher Diskussion wird der einmütige Entschluss gefasst, nochmals vor Gericht zu ziehen.
  • 2010: Vor dem VGH in München wird mehrere Tage lang verhandelt. Der Urteilsspruch vom 24. November ist nicht mehr überraschend. Sämtliche Klagen, auch die anderer Kanzleien, werden abgelehnt. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird nicht zugelassen. Das schriftliche Urteil soll im Januar 2011 vorliegen. Dann wird von den Anwälten der Klagegemeinschaft geprüft, ob in Leipzig Beschwerde gegen diese Nichtzulassung eingelegt werden soll.
  • 2011: Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht wird abgewiesen. Teilstück Forstinning – Pastetten geht in Betrieb
  • 2015: wird der öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) -Vertrag zum Bau der Autobahn A94 rechtsgültig geschlossen. Die Autobahn A 94 muss somit definitiv im Jahr 2019 fertig gestellt sein
  • 2016: Spatenstich „Pastetten-Heldenstein“
  • 2019: das 33 km lange Teilstück Pastetten-Heldenstein geht in Betrieb. Das Naturidyll Isental ist unwiederbringlich zerstört
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